n
§. 7. Die Inder.
d L sch e 11 Mythologie, wie sie in der umfangreichen hei-
ligen Literatur der Inder niedergelegt ist. Denn diese umfaßt
außer den vier Veda's noch vierzehn Hauptabtheilungen, in
denen die Schriften über Wissenschaft und Kunst,
namentlich über Medicin, Naturkunde, Astronomie, Mathe-
matik (worin man den Indern das Zehnziffersystem und die
Algebra verdankt), über Kriegswesen, Technik, Grammatik,
Rechtswissenschaft, Philosophie, Musik und Dichtkunst (mit
ihren religiösen Epopäen), also das g e sa m m t e Wissen
der alten Inder enthalten ist. Aus diesen Schriften sind ganz
besonders hervorzuheben die Rechtsgesetze des Manu
(eines Enkels des Brahman), die noch in 12 Büchern vor-
handen sind. Denn nicht bloß aus jenen vier Veda's, sondern
auch aus diesen Manu's-Gesetzen und ihren mythischen Lehren
entwickelte sich eigentlich die ganze indische Bildung mit ihren
reichen Dichtungen, deren auch die spätere profane
Literatur eine große Menge, namentlich in dramatischer
Hinsicht, aufzuweisen hat. Vorzüglich durch die Mitwirkung
dieser Dichtungen, so wie auch überhaupt durch die Aus-
breitung.der Sünde in der sich selbst überlassenen Heiden-
natur, ist die früherhin der Wahrheit einigermaßen näher ge-
standenc Brahmarcligion allmählig bis zu dem verzerrtesten,
übentheucrlichstcn Götzendienst heruntergesunken, wie er uns
noch daselbst vor Augen liegt.
Das religiös-bürgerliche Leben des Inders ruhte,
wie das des Zendvolks, ganz aus astronomischer und astro-
logischer Grundlage, und mit der Sterndeutung insbesondere
war das O r a k e l w e se n verbunden, dessen man sich in
allen Priesterstaaten bediente, um alles dasjenige zu bestimmen,
was nicht durch die heiligen Gesetze vorgesehen war.
Die Staatsverfassung war auf die vierfache
Kasteneinrichtung gegründet. Die Priester, Brahmana's
oder Br am inen (Abkömmlinge von Brahma) genannt,
machten den herrschenden Stand aus, waren die alleinigen
Erklärer der heiligen Schriften und hielten die drei übrigen
Kasten in der strengsten Abhängigkeit. Sie wußten ihre Un-
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184
§. 69. Die Macht der Chalifcn.
logischen Partei benützt; waren sie kräftig, so griffen sie nicht
selten in die Rechte und selbst in die Lehren der Kirche ein.
So kam es oft zu heillosen Verwirrungen, die manchmal selbst
mit Blutvergießen endeten.
Bei diesen Zwisten waren auch die Mönche sehr thätig.
Das Mönchswesen war im Orient, vom Klima be-
günstigt, schon im 3. Jahrhundert n. Chr. aufgekommen, und
zwar zuerst in Ägypten durch den Einsiedler Antonius,
der ganze Gesellschaften zum Eremitenleben vereinigte; dann
durch Pachomius, der das eigentliche Klosterleben auf-
brachte, dessen Mitglieder wegen ihrer äußerst strengen Ent-
haltsamkeit bei der Welt große Verehrung erlangten. Und
allerdings waren die Klöster der Ausbreitung der Kirche sehr-
förderlich, wiewohl es auch nicht fehlen konnte, daß sich bei
ihrer Vermehrung im Orient auch viele Auswüchse und Ver-
irrungen damit verbanden.
Im 5. Jahrhundert kam das Klosterwesen nach dem Abend-
lande, wo theils das abkühlende Klima, theils der geordnetere
Geist der abendländischen Kirche ihm eine andere und zum
Thcil bessere Einrichtung gab, die es zu Anfang des 6. Jahr-
hunderts durch den h. Benedict von Nursia bekam, der
seinen Klostergeistlichen Armuth, Keuschheit und Gehorsam
zur Grundregel machte und mit dem Beten das Arbeiten und
Studieren verbinden ließ. Die Klöster boten in der Zerrüttung
und Finsterniß jener Zeiten Unterweisung den Trostbedürftigen
und Unwissenden, Pflege den Armen und Kranken, Zuflucht
den Verlassenen und Bedrängten; förderten die Kultur des
Bodens, bewahrten die Reste der Wissenschaft, und legten
überall die Keime christlicher Bildung, deren Entwickelung
dann späterhin andere Anstalten übernahmen.
2. Die Macht der Chalifen.
69. Aa nun im oströmischen Reiche das Christenthum so
mannigfaltigen Ausartungen unterlag, die alten Religionen
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Extrahierte Personennamen: Antonius Antonius Benedict_von_Nursia
tz. 80. England.
223
gen aber und die Grafschaft Burgund (Franche-Comté)
durch die Vermählung der Tochter Karl's, Maria mit
Maximilian (dem nachmaligen deutschen Kaiser), an
das österreichische Haus kamen. — Bei Ludwig's Xi Tode
war Frankreich in eine volle Monarchie übergegangen.
4. England.
80. Die von den Angelsachsen gestifteten sieben König-
reiche (s. §. 66 a. E.), in welchen seit dem Ende des 7.
Jahrhunderts, vornehmlich durch die Bemühungen Papst
Gregors des Großen, das von den heidnischen An-
gelsachsen zerstörte Christenthum wieder aufkam und die be-
kehrten Eroberer sich der von einem guten Geiste beseelten
Kirche fügten, wurden 827 von König Egbert in Ein
Reich vereinigt, das aber nicht im Stande war, die unauf-
hörlichen Angriffe der eingedrungenen Dänen abzuwehren,
bis gegen das Ende des 9. Jahrhunderts Alfred der
Grohe sie besiegte und ihre Besitzungen beschränkte.
Alfred war für England das, was Karl der Große für
das Frankenreich war: er sicherte die Gränzen des Reichs,
ordnete die Rechtspflege, stellte Kirchen, Klöster und Schulen
her, ließ sich die Ausbildung der Landessprache angelegen
sepn und sorgte auf alle Weise für die Bildung des Volks.
Unter seinen Nachfolgern kehrten die Angriffe der Dänen
wieder, so daß König Edelred Ii sich gezwungen sah, auf
einige Zeit nach der Normandie zu seinem Schwiegervater
zu fliehen, und daß sein älterer Sohn sogar das Reich mit
dem Dänenkönige Kanut 1016 theilen mußte, worauf die-
ser sich zuletzt zum Alleinherrn von England machte, Christ
wurde und nach der Erwerbung Dänemarks und der Erobe-
rung Norwegens alle drei Reiche mit Weisheit und Gerech-
tigkeit regierte.
Nach dem Tode seiner Söhne aber kam England an Edel-
red's jüngern Sohn, Eduard d e n B e k e n n e r. Dieser
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maximilian_( Maximilian Gregors König_Egbert Alfred Alfred Karl_der_Große Karl Eduard_d Eduard
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England England England Norwegens England
190
$. 70. Das Frankreich.
für die Wohlthaten des Christenthums zu gewinnen, stiftete
er besonders in Deutschland viele Bisthümer, baute Kirchen
und sorgte für die bessere Bildung des geistlichen Standes.
— Um die Bildung zu heben, gründete er Klosterschulen,
und zog auswärtige Gelehrte, darunter vornehmlich den
Engländer Aleuin, an seinen Hof; besonders lag ihm die
Ausbildung der deutschen Sprache, so wie überhaupt die
Reinhaltung deutscher Sitte und Art sehr am
Herzen. — Um den Landbau emporzubringen, legte er Mu-
fterwirthschaften auf seinen Gütern an und suchte so auf alle
Weise die Wohlfahrt seines Reiches zu befördern.
Da Karl über den bei weitem größten Theil des ehema-
ligen abendländischen Römerreiches gebot, so wurde dadurch,
daß vom Papste Leo Ui am Weihnachtsfeste zu R o m
800 Karl zum römischen Kaiser gekrönt wurde, die
alte Cäsarenwürde auch der Form nach auf die Germanen
übergetragen, und in dem nunmehrigen Kaiser der Vorste-
her des Rechts und Friedens in Europa und der
Schutz - und Schirmherr derkirche anerkannt.
Nach Karl's Tode übernahm
814 Ludwig der Fromme die ihm von seinem Vater über-
tragene Regierung, ohne seines Vaters Geist zu besitzen. Er
theilte das Reich zu früh unter seine Söhne, die darüber in
Zwist mit ihm geriethen und ihm durch unwürdige Behand-
lung das Leben verbitterten, indem ihn der ältere, Lothar,
unter Beihülfe des römischen Stuhles, zur Abdankung zu
nöthigen suchte.
Aber der jüngste Sohn, Ludwig, trat mit den Deut-
schen seinem Bruder Lothar entgegen, und als nach des Va-
ters Tode der Zwist unter den Brüdern ausbrach und
Lothar das ganze Reich an sich zu bringen suchte, zwang er
ihn
843 zu dem Vertrage zu Verdun, wodurch Lothar die
Kaiserwürde mit der Herrschaft über Italien und die Länder
am linken Rheinufer (mit Ausnahme der Landschaften Mainz,
Worms und Speyer) unter dem Namen Lotharingien, Karl
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Leo_Ui Leo Karl Karl Ludwig Lothar Ludwig Ludwig Lothar Lothar Lothar
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Europa Deut- Italien Mainz Worms Speyer
304 Z. 203. Die Schwäche des deutschen Reichs.
An der Religion in ihrem damaligen.zustande konnte
die Sittlichkeit nicht die nöthige Stütze finden, indem in der
protestantisch-evangelischen Kirche allmählich ein todter Glaube
herrschend geworden war: sie hatte im Streite mit sich selbst
längst die erste Liebe verlassen, und der Baum des evange-
lischen Christenthums drohte im saftraubenden Begriffswesen
zu ersterben, wenn er nicht für Deutschland in Spener,
Franke, Zinzendorf, für England und Nordamerika
in Wesley und Whitefield neue Zweige getrieben
hätte, die, weun sie auch im Fortwuchs hie und da Schwämme
ansetzten, doch vorzüglich durch die guten Früchte eines
liebethätigen Glaubens ihre Lebenskraft bezeugten.
Während die erneuerte katholische Kirche noch bis in die
Mitte des 17. Jahrhunderts in Errichtung vieler neuen geist-
lichen Körperschaften und Verbrüderungen, so wie in Ver-
pflanzung des christkatholischen Glaubens nach andern Welt-
theilen (namentlich durch die Jesuiten nach dem portugie-
sischen Ostindien und nach China) eine rege Thätigkeit
bewies, — führte jetzt auch im Protestantismus der wieder-
erwachende practische Glaube zum Zusammentritt christlicher
Gemeinschaften, denen neben dem eigenen Wachsthum im
Christenthume auch die Verbreitung des Evangeliums unter
den Heiden am Herzen lag: und nachdem schon 1647 Eng-
land die erste Missionsgesellschaft gestiftet hatte,
bezeugten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die
dänische Mission und vorzüglich die Mission der Brüderge-
meinde, daß ein frischer Pfingsthauch die erstarrte Kirche zu
beleben angefangen habe.
Die politische Ohnmacht des deutschen Reichs
wurde durch die Selbstsucht der Reichsglieder gemehrt, in-
dem jeder Reichsstand nur für sich sorgte und, wo es
seinen Vortheil galt, seine Pflicht gegen Kaiser und Reich
aus den Augen setzte. Führte ja eine Gefahr zu dem Ent-
schlüsse gemeinsamer Abwehr, so war die Hülfe, die jeder
leistete, so langsam und träge, daß gewöhnlich Verlust und
Schmach das Ende der Unternehmung war.
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§. 5. Die ältesten Staaten des Heidenthums. 13
einrichteten und ausbauten, soll zunächst an den wichtigsten
und einflußreichsten derselben gezeigt werden.
Die gesellschaftliche Verbindung, welche man Staat nennt,
wurzelt zutiefst in der allerersten und einfachsten Form des
Zusammenlebens der Menschen, welche man Familie heißt,
deren Haupt der Hausvater ist, welcher sämmtliche Familien-
glieder durch die von seinem Willen ausgehende Hausordnung
und Haussitte zusammenhält und als Versorger und Erzieher
der Seinigen zugleich ihr Regent und häuslicher Priester ist.
In weiterer Entwicklung erwuchs aus der Familie, und zwar
aus den herangewachsenen, neue Familien bildenden Gliedern,
welche beisammenblieben und die im Vaterhaus geübte Lebens-
art fortführten,— ein Geschlecht oder Stamm, an dessen
Spitze der Geschlechts- odep Stammälteste steht.
Diese Volkseinrichtung heißt die patriarchalische, und
findet lange Zeit besonders bei Stämmen statt, die unbeengt
und unbehindert auf größerem Raume, vorzüglich auf Hoch-
ebenen und in Gebirgsthälern, nomadisch leben können. Der-
gleichen Völker mit patriarchalischer Verfassung haben (wie
noch heute die Beduinen in Arabien, die Horden der In-
dianer in Amerika :c.) keine eigentliche Geschichte.
Diese beginnt erst, wenn solche Nomadenstämme, frei-
willig oder gezwungen, auf kleinerem Raume zusammenge-
drängt, vorzüglich in fruchtbaren Niederungen und Fluß-
thälern, sich ansiedeln. Denn von da an erst tritt der Mensch
mit der Natur in thätigen Kampf, um ihr seinen
Unterhalt abzuzwingen, und zugleich mit seinem Nach-
bar in Verein, um mit seiner Hülfe die Hemmnisse der
Natur, z. B. Regen und Kälte (durch schützendes Obdach),
ausgetretene Flüsse (durch Eindämmung), ausgedürrten Boden
(durch Bewässerung) und ähnliche Übel, denen er vorher
bei seinem Wanderleben mehr hatte ausweichen können, leichter
zu besiegen, theils um Beeinträchtigungen anderer, feindlicher
Stämme kräftiger abzuweisen.
Mit der Entstehung einer Niederlassung ergab sich eine
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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14
§. 5. Die ältesten Staaten des Heidenthums.
natürliche Verschiedenheit der Stände, welche auf der
Theilung der gemeinschaftlichen Arbeiten beruht, denen sich
ein Jeder dabei, je nach Geschick und Bedürfniß, zu unter-
ziehen hat. Und weil jetzt die bloße natürliche Sitte,
die vorher das abgesonderte Familienleben regiert hatte, nicht
mehr hinreicht, das Leben derer, die mit einander in Ver-
bindung getreten sind, in Ordnung zu halten: so bedarf es
nun fester Bestimmungen, die auf alle Glieder einer solchen
Ansiedlung gleichmäßig anwendbar sind. So entstunden G e -
setze, die man, um ihre Verletzung zu verhüten, unter den
Schutz der Religion stellte und heiligte.
Der Bewachung und Bewahrung der Gesetze, nahm sich
daher zunächst der Priesterstand an, welcher, durch die
Verbindung der Kunde und Handhabung der bürgerlichen
Gesetze mit seiner Kenntniß und Behandlung göttlicher Dinge
überhaupt, das übrige Volk leitete und geistig und leiblich
beherrschte. Die Verbindung der religiösen und der bürger-
lichen Verfassung, die beide im hohen Alterthum unzertrenn-
lich waren, so wie die Aufrechthaltung dieser Verbindung
durch den Priesterstand, welcher damals alle Intelligenz in
sich vereinigte, ergab sich von selbst und die hierarchische
Verfassung ist die älteste Staatenform.
Je mehr das Volk die in seinem Cultus liegenden Ideen
verlor, desto mehr suchte sie der Priesterstand durch Geheim-
dienst festzuhalten und alle Kenntnisse, die sich auf den Gottes-
dienst und die bürgerliche Gesetzordnung, somit auf alle
Wissenschaft bezogen, als Geheim lehren mit strenger
Sorgfalt bloß auf ihre eigenen Nachkommen zu vererben,
bis ihm selbst allmählig die tiefere Bedeutung seines Cultus
entschwand und dieser vollends in rein äußerlichen Formen
erstarrte. Die Bewahrung jener Überlieferungen, so wie das
Streben, sich von der Beimischung der übrigen Stände rein
zu erhalten, machte den Priesterstand zur geschlossenen
Priesterkaste.
Mit der Bildung einer Priesterkaste schieden sich aber in
der Regel auch die übrigen Stände im Volke, je nach ihren
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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202
§. 73. Die Kreuzzüge.
Den größten Vortheil zunächst zog die Hierarchie
aus den Kreuzzügen, indem der Papst es war, der diesel-
den anordnete, sie durch seine Vertreter (Legaten) leitete,
sowie auch die Streitigkeiten unter den Kreuzfahrern schlich-
tete, und überhaupt seinen Befehlen, ungeachtet öfteren Wi-
derstrebens der Könige und Fürsten, in der Regel durch die
ihm zu Gebote stehenden Mittel Gehorsam zu verschaffen
wußte, und so das Ansehen eines richterlichen Oberherrn der
ganzen abendländischen Christenheit bekam, während der Kle-
rus durch Kauf, Geschenke und Vermächtniffe überreich an
Gütern und Vorrechten wurde.
Sittlichkeit und Religion aber erlitt aus dieser Berüh-
rung mit dem Morgenlande durch die Vervielfältigung aber-
gläubischer Auswüchse und durch die höchste Steigerung der
sinnlichen Lüste und Genüsse wesentliche Nachtheile, welche
durch die getroffenen Gegenvorkehrungen (z. B. durch Kran-
kenhäuser, deren im 13. Jahrhundert an 19,000 in Europa
gezählt wurden, und durch Vermehrung der geistlichen Or-
den) nur theilweise gemindert werden konnten.
Auch im Ab end lande fanden Kreuzzüge Statt und
zwar gegen die heidnischen Slaven, insbesondere gegen die
. Wenden, welche zuletzt von Heinrich dem Löwen besiegt
wurden, und gegen die Preußen, die mit Hülfe des deut-
schen Ordens zum Christenthume - gebracht und 1283 dem
Orden unterworfen wurden. — Ebenso wurden auch Kreuz-
züge gegen Ketzer gepredigt, insbesondere gegen die
Albigenser im südlichen Frankreich (1209), bei wel-
cher Gelegenheit die Inquisition aufkam, ein geistliches
Gericht, das Jeden, der die Lehren und Einrichtungen der
Kirche nicht anerkannte, mit schweren Strafen, selbst mit
Feuer und Schwert, verfolgte (s. §. 78 u. 94).
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_dem_Löwen Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Europa Christenthume Frankreich
242
tz. 88. Anfang der Reformation.
Groß war das in der damaligen Kirche eingerissene
Sittenverderbniß, unerhört die Unwissenheit der meisten
Geistlichen, arg vernachlässigt die Kenntniß der heiligen
Schrift und die Führung des Predigt- und Seelsorgeramtes,
entsetzlich der daher rührende Aberglaube des Volkes. Die
Erfahrungen, welche die Kirche in dem Kampfe mit den
zum Theil wahren, zum Theil freilich auch irrthümlichen
Bestrebungen der Waldenser, Wpkleffiten und Hussiten ge-
macht hatte, waren von ihr nicht als Mahnungen zur eig-
nen freiwilligen Selbsterneurung benützt worden. In un-
begreiflicher Sicherheit schritten vielmehr ihre damaligen
Leiter (namentlich ein Papst Alexander Vi) auf der gefährli-
chen Bahn fort, die zuletzt nothwendig zu einer, für alle
Theile unerwarteten Entscheidung führen lüußte.
Zu dieser Entscheidung kam es unter Papst Leo X, der,
um den Prachtbau der Peterskirche in Rom fortführen und
vollenden zu können, einen Ablaß ausschrieb, von dessen
Ertrag im nördlichen Deutschland ein Theil dem Erzbischof
von Mainz zufallen sollte. Dieser stellte dann Ordensgeist-
liche an, die in den deutschen Ländern umherzogen und gegen
bestimmte Geldtaren Vergebung der Sünden verkauften.
Einer dieser Ablaßverkäufer, der Dominikaner Johann
Tetzel, welcher dieses Geschäft in Sachsen betrieb, verfuhr
dabei auf eine so unverantwortliche Art, daß der Professor
der Theologie an der Universität Wittenberg, » Martin
Luther, welcher an seinen Beichtkindern die unglücklichen
Folgen jenes Ablaßverkaufes wahrnahm, sich getrieben fühlte,
1817 am 31. October in fünf und neunzig Thesen oder theologi-
schen Streitsätzen, die er an die Schloßkirche zu Wittenberg
anschlug, diesen Mißbrauch zu rügen und zugleich die un-
beschränkte Gewalt des Papstes zu bestreiten. Dies war der
Anfang zur Reformation.
Luther, der Sohn eines Bergmanns aus Möhra in der
Grafschaft Mannsfeld, war am 10. Nov. 1483 zu Eisleben
geboren, studierte zu Erfurt anfangs die Rechtswissenschaft,
widmete sich aber nachher, erschüttert durch den plötzlichen
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TM Hauptwörter (200): [T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester]]
Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Leo_X Leo Johann
Tetzel Johann Martin
Luther
Extrahierte Ortsnamen: Rom Deutschland Mainz Sachsen Wittenberg Wittenberg Möhra
§. 89. Fortgang der Reformation.
247
krieg in Thüringen und Franken, wobei eine Menge
Ritterburgen und Klöster geplündert und zerstört wurden.
Als Luther dieses heillose Beginnen erfuhr, schrieb er im
äußersten Unwillen mehrere Schriften gegen die Aufrührer,
worin er sie zum Gehorsam gegen ihre Obrigkeit anwies
und die Fürsten aufforderte, diesen Gräueln zu steuern.—
Beide Aufstände wurden auch bald von den fürstlichen Heeren
gedämpft und die Empörer hart, zum Theil grausam gestraft,
wozu allerdings der religiöse Gegensatz mitwirkte.
Obgleich diese traurigen Vorfälle in Vielen die Theil-
nahme für die Reformation schwächten, so befestigte sich
diese doch immer mehr, zumal einerseits Karl wegen seiner
Kriege mit Frankreich beständig von Deutschland abwesend,
und dessen Bruder Ferdinand, als Reichs v er Weser,
gewaltsamen Maaßregeln nicht geneigt war. Zugleich erwies
sich der Nachfolger Friedrichs des Weisen, Johann der
Beständige, mit seinem ernsten, tiefreligiösen Gemüthe
besonders thätig für die Reformation, indem er in Sachsen
die erste Kirchenreform einführte, welche sich bald auch
andere evangelische Fürsten zum Muster nahmen, besonders
seit die (vorzüglich ihm zu verdankende) Fassung des Reichs-
abschieds von 1526 der Ausbildung der Landes-
kirchen Vorschub leistete.
Ein Jahr zuvor, 1525, hatte auch Markgraf Al brecht
von Brandenburg, als Hochmeister des deutschen Or-
dens, seinen geistlichen Stand aufgegeben und bei seinem
Übertritt zur lutherischen Lehre das Ordensland Preußen,
mit Einwilligung der Stände desselben, als ein erbliches
Herzogthum in weltlichen Besitz genommen.
Überall, wo die Grundsätze der Reformation Annahme
fanden, wurde daher der Cölibat und das Klosterwesen auf-
gehoben, der Gottesdienst in der Landessprache gehalten,
den Laien der Antheil am Kelch zurückgegeben, die bis dahin
von Luther übersetzten Theile der Bibel verbreitet, und der
christliche Unterricht der Jugend und des Volkes, wofür
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Ferdinand Ferdinand Friedrichs Johann Luther
Extrahierte Ortsnamen: Thüringen Frankreich Deutschland Sachsen Brandenburg